Loch in der ISS: Sabotage im All oder Schlamperei? | Wissen & Umwelt | DW | 06.09.2018

2023-02-16 16:21:48 By : Ms. Lisa Li

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Wer ist verantwortlich für das Bohrloch auf der Internationalen Raumstation, und wer hat es notdürftig abgedeckt? Die Russische Raumfahrtbehörde sucht den Schuldigen und findet alte Qualitätsprobleme.

Erfolgreiche Zusammenarbeit jenseits aller Differenzen - das ist das Konzept der ISS

Was auch immer auf Erden geschieht, im Weltall wird zusammengearbeitet: Jenseits aller politischen Spannungen ist die Internationale Raumstation (ISS) das komplexeste Wissenschaftsprojekt in der Geschichte der Menschheit.

Die Sowjetunion hatte zuerst eine Raumstation in der Erdumlaufbahn gebaut, nachdem sie den Wettlauf zum Mond verloren hatte. Aber schon bei der MIR arbeiteten die Russen mit internationalen Weltraumbehörden zusammen. Und an der ISS, diesem Vorposten der Menschheit im Weltall, beteiligen sich inzwischen 16 Nationen. Die Besatzung besteht derzeit aus sechs Astronauten - drei aus den USA, zwei aus Russland und dem Deutschen Alexander Gerst. Er soll bis Dezember auf der Station bleiben und im Oktober als erster Deutscher das Kommando auf der ISS übernehmen.

Im Netz kursieren Bilder des mutmaßlichen Lochs an der Kapsel

Kaum vorstellbar also, dass jemand ausgerechnet dieses internationale Prestige-Projekt sabotieren könnte. Aber genau das behauptet ein ehemaliger Kosmonaut und jetziges Duma Mitglied: Maxim Surajew deutete an, ein psychisch gestörter Astronaut könnte das Loch in die ISS gebohrt haben, das vergangene Woche entdeckt wurde, um einen früheren Rückflug zu erzwingen.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Besatzungsmitglied "diese seltsame Nummer abgezogen hat", so der ehemalige Kosmonaut. "Wir sind alle Menschen und jeder könnte nach Hause wollen", sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti.

Die Aufnahme des Loches hat die NASA inzwischen wieder aus dem Netz genommen, zu finden ist sie dennoch. Das winzige Loch befand sich in einer angedockten Sojus-Kapsel, mit der Alexander Gerst zusammen mit dem russischen Kosmonauten Sergej Prokopjew und der US-Astronautin Serena Aunon-Chancellor zur ISS geflogen waren. Es hatte am Donnerstag ein Sauerstoffleck und einen Druckabfall in der ISS verursacht.

Ab Oktober wird Alexander Gerst Kommandant der ISS. Dann gehört es zu seinen Aufgaben, den Überblick zu behalten.

Die Besatzung war nicht in Gefahr und konnte den Riss flicken – ganz profan mit Epoxy-Kleber getränktem Gewebe. Eine vorläufige Analyse ergab, dass die Kapsel auch für die Rückkehr zur Erde sicher sei. Der Grund: Das Loch befindet sich in einem Teil der Sojuz Kapsel das gar nicht am Wiedereintritt der Rückkehrkapsel in die Erdatmosphäre beteiligt ist. Das fragliche Bauteil verglüht einfach separat. 

Aber trotz Entwarnung bleibt die Suche nach der Ursache: Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hatte zunächst erklärt, der Riss sei vermutlich durch einen winzigen Meteoriten verursacht worden. Stimmt aber nicht, räumte der Roskosmos-Direktor Dmitri Rogosin inzwischen ein: Stattdessen sei definitiv ein Mensch verantwortlich. Jetzt werde fieberhaft danach gesucht, wer die Raumfähre warum beschädigt hat.

Neben Schlamperei gebe es laut Rogosin auch "eine andere Version, die wir nicht ausschließen: eine absichtliche Störung im Weltall". Laut Rogosin wurden "mehrere Versuche" festgestellt, ein Loch in die Sojus-Kapsel zu bohren. Diese seien mit "zögerlicher Hand" ausgeführt worden. Nun müsse geklärt werden, ob es sich um einen Herstellungsfehler oder um einen vorsätzlichen Akt handele.

Vermutlich wurde die Raumfähre bereits in der Testphase auf dem Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan beschädigt.

So schreibt der Raumfahrt-Journalist Eric Berger in Ars Technica, es gebe Hinweise, dass ein Techniker den Bohrfehler sah und das Loch mit Leim bedeckte, wodurch das Problem bei einem Vakuumtest auch nicht erkannt wurde. 

Während sich die für das Raumstationsprogramm zuständige NASA in Schweigen hüllt, erklärte Roskosmos-Chef Rogosin: "Wir sind in der Lage, die Ursache auf einen technischen Fehler eines Technikers einzugrenzen. Wir können die Markierung sehen, wo der Spiralbohrer entlang der Oberfläche des Rumpfes rutschte. Wir wollen den vollen Namen des Schuldigen herausfinden - und das werden wir."

 Hergestellt wurde die Sonde vom russischen Unternehmen Energia. Dort gab es nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters und jetzigen Professors an der Staatlichen Universität Moskau vor Jahren schon einmal einen ähnlichen Fall.

Modernes Image, alte Qualitätsprobleme bei Roskosmos Sojus-Produktion?

Bei Untersuchungen nach der Landung fand man damals "ein Loch, das vollständig durch den Rumpf eines Wiedereinstiegsmoduls gebohrt wurde", so Viktor Minenko in der Zeitschrift Gazeta.RU. "Aber der Techniker meldete den Defekt niemandem, sondern versiegelte das Loch mit Epoxidharz." Der Verantwortlich sei gefunden und gefeuert worden, so Minenko.

Das jüngst entdeckte Loch wurde aber nicht mit Epoxidharz, sondern mit Leim geflickt - das kann im All nicht halten. Da der Sojus-Rumpf aus einer Aluminiumlegierung besteht, hätte er nur durch Schweißen auf der Erde richtig repariert werden können. Aber dafür hätte der Fehler gemeldet werden müssen.

Da es in der Vergangenheit bei der Sojus-Produktion und auch bei der Qualitätskontrolle immer wieder zu schwerwiegenden Problemen und Startausfällen kam, wurde Roskosmos-Chef Rogosin erst im Mai ernannt, um in der Agentur für Ordnung zu sorgen. 

"Hallo Berlin, von hier oben sieht man keine Grenzen!", twitterte Alexander Gerst am 9. November 2014, dem 25. Jahrestag des Mauerfalls. In 166 Tagen führte er Experimente in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen durch. Eine wichtige Forschungs-Leistung! Aber Alexander Gerst berührt Menschen auch emotional - durch das Bild, das er von unserem "Blue Dot" vermittelt.

"Durch Polarlichter zu fliegen lässt sich nicht in Worte fassen", meint Alexander Gerst. Er hat dieses Naturphänomen von der ISS aus beobachtet. Und er verfolgte ein wissenschaftliches Ziel dabei: Er wollte den Einfluss elektromagnetischer Strahlung auf elektronische Geräte erforschen.

Die Sahara wird oft als endlose Wüste bezeichnet. Die Aufnahmen von Alexander Gerst über Libyen zeigen, dass auch die sandigsten Dünen einen Ausgangs- und Endpunkt haben.

Die meisten Menschen in Florida schliefen wahrscheinlich noch, als Alexander Gerst und seine Kollegen diesen Schnappschuss kurz vor Sonnenaufgang machten. Wenn sie wüssten, dass sechs Astronauten im All sie beim Schlummern beobachteten ...

Es ist weder ein Berg, noch ein Vulkan. Auf diesem Foto von Gerst ist ein Meteoritenkrater in Arizona zu sehen. Der Krater misst 1186 Meter im Durchmesser und ist ganze 180 Meter tief.

Es scheint nur ein winziges Loch in der Wolkendecke zu sein - doch tatsächlich hat dieses Loch einen Durchmesser von 80 Kilometern! Obwohl es sehr faszinierend aussieht, richten Taifune wie dieser regelmäßig enormen Schäden an der Erdoberfläche an.

Alexander Gersts Bilder zeigen unverfälschte Momentaufnahmen. Dieses Foto zeigt eine besorgniserregende Entwicklungen: den Konflikt zwischen Israel und Gaza - fliegende Raketen und Explosionen.

Ein besonderes Phänomen: Auch auf der Erde hat man selten die Chance, Nordlichter beobachten zu können. Gerst hatte das Glück, dieses wunderbare Bild aus dem Weltraum schießen zu können.

Astronauten stellen ihre Fotos auch für wissenschaftliche Zwecke zur Verfügung: Die Bilder der vom Wind zerklüfteten Täler in Nordafrika können zu Vergleichsstudien herangezogen werden. So kann man Veränderungen in der Landschaft feststellen - und analysieren, welchen Anteil der Mensch an solchen Veränderungen hat.

In vielen Regionen der Welt ist Süßwasser Mangelware. Die Kreise auf dem Bild sind nicht das Werk von Außerirdischen, sondern Bewässerungsanlagen in trockenen Gebieten Mexikos. Einige Experimente von Gerst beschäftigten sich auch mit Nahrungsversorgung. Die Astronauten pflanzten auf der ISS Salat an und arbeiteten daran, den Wasserverbrauch der Pflanzen zu verringern.

Einige von Gersts Bildern sehen aus wie Meisterwerke berühmter Maler. Dieses Foto zeigt tatsächlich einen kurvenreichen Fluss in Kasachstan, der sich durch die Landschaft frisst. Auch Altarme, die vom Hauptfluss abgeschnitten sind, kann man auf dieser Aufnahme entdecken.

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Die "Artemis"-Mission der NASA soll eines Tages wieder Menschen auf den Mond bringen. Jetzt ist die "Orion"-Kapsel nach einem fast vierwöchigen unbemannten Testflug erfolgreich zurück auf der Erde gelandet.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar stand auch die Kooperation im Weltraum auf der Kippe. Nun starteten erstmals seit Kriegsbeginn wieder ein Amerikaner und zwei Russen zur Internationalen Raumstation.

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