Ein Polizei-Team aus Murnau rückt aus, falls sich Klima-Aktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ in der Region auf Fahrbahnen kleistern sollten. Speziell geschulte Beamte der Zentralen Einsatzdienste (ZED) bilden dann ein „Glue-on-Team“, das Klima-Kleber von der Straße holt.
Murnau – Es kann theoretisch jeden Tag passieren, und das nicht mehr nur in Metropolen wie München und Berlin, sondern auch in Murnau, Bad Tölz oder Weilheim: Die Gruppe „Letzte Generation“ hat angekündigt, ihre Protestaktionen ab 6. Februar auf die gesamte Republik auszuweiten und zu versuchen, diese „in jede Stadt, in jedes Dorf zu tragen“.
Bayerns Polizei hat sich dafür gewappnet – mit „Glue-on-Teams“; der englische Begriff steht für ankleben, anleimen. Eine dieser speziell geschulten, neuen Gruppen sitzt in Murnau: Es handelt sich um Beamte der Zentralen Einsatzdienste (ZED), eine Art Feuerwehr der Polizei mit diversen Unterstützungs-Einheiten, die zuständig sind für die Landkreise Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz-Wolfratshausen und Weilheim-Schongau. Kleben sich also Demonstranten in diesem Gebiet auf die Straße, rückt ein Murnauer „Glue-on-Team“ aus. Die ersten Polizisten des ZED-Einsatzzugs haben die Fortbildung im Herbst 2022 begonnen. Für sie geht es nun darum, dass im Ernstfall alles wieder fließt. Ziel der Aktivisten sei es, den Straßenverkehr zu behindern, sagt Michael Bayerlein, Leiter der ZED, die praktisch immer verfügbar ist. Für seine Einheit zählt, dass dieser „so schnell wie möglich wieder freigegeben werden kann“.
Das ZED-Team kommt zum Einsatz, falls die klassischen Klima-Kleber in der Region zuschlagen sollten: Demonstranten, die sich mit Sekunden- oder Spezialkleber öffentlichkeitswirksam auf viel frequentierten Straßen fixieren. Joachim Loy, Chef der Polizeiinspektion Murnau, schließt „nicht aus“, in seinem Zuständigkeitsgebiet mit solchen Aktionen konfrontiert zu werden. Im Notfall fordern seine Beamten das Murnauer „Glue-on-Team“ an, das dann mit einer speziell gefüllten Einsatzkiste ausrückt. Ziel ist es, für eine verletzungsfreie Lösung zu sorgen. Bayerlein geht, was den Inhalt betrifft, nicht ins Detail, um Aktivisten nicht in die Karten zu spielen. Es handle sich um „verschiedenste Materialien“, mit denen sich Verklebungen beseitigen lassen, teilweise um natürliche Stoffe. Das eine oder andere Mittel, das Beamte offenbar aus ihrer Trickkiste holen, machte bereits in den Medien die Runde. So sollen sich herkömmliches Speiseöl und Seifenlauge darunter befinden. Das klingt nicht nach rabiaten Methoden: „Wir gehen so schonend wie möglich vor“ – auf diese Feststellung legt Bayerlein Wert. Und: „Es gibt genaue Vorgaben, was wann eingesetzt wird.“
Die Beamten, schildert Bayerlein, beginnen dabei immer mit der sanftesten Vorgehensweise und versuchen ihr Glück „erst mal vorsichtig mit einem Spatel“. Ist dies nicht von Erfolg gekrönt, arbeitet man sich Schritt für Schritt durch die Lösungsmittel, die zur Verfügung stehen. Teilweise, weiß der ZED-Chef, erzählten die fixierten Aktivisten auch, um was für einen Kleber es sich bei dem verwendeten handle – und manchmal befindet sich dieser sogar noch vor Ort. „Den Großteil bekommt man mit einfachen Mitteln von der Straße“, sagt Bayerlein. „Das ist kein Hexenwerk.“ Er kann sich nach den entsprechenden Ankündigungen der „Letzten Generation“ vorstellen, dass mehr Aktivisten sich an Klebe-Protesten beteiligen, diese auch in ländliche Regionen tragen und dem Murnauer „Glue-on-Team“ Einsätze bescheren werden: „Wobei wir nicht böse wären, wenn es nicht so käme.“
Polizei-Chef Loy nimmt die Protest-Ansage ebenfalls ernst, die Inspektion ist vorbereitet. „Wir haben verschiedene Szenarien durchgespielt: Was könnte bei uns passieren – und wie reagieren wir darauf?“ Loy hat zum Phänomen Klima-Kleber eine Schulung durchlaufen und die Inhalte an seine Mitarbeiter weitergegeben. Es gehe darum, sagt er, „in solchen Situationen verhältnismäßig und rechtlich abgesichert zu reagieren“.